„Drei Dinge sind an einem Gebäude zu beachten: daß es am rechten Fleck stehe, daß es wohlgegründet, daß es vollkommen ausgeführt sei“ – Johann Wolfgang von Goethe
Die kleine Großstadt…
In München begehren Naturschützer und Ökologen gegen ein weiteres Wachstum der Stadt auf und wollen die Verdichtung von Wohnraum im Stadtgebiet stoppen, genau so wie weitere Ausweisungen von Gewerbe- und Neubaugebieten am Stadtrand. Sie sind der Meinung, dass die bestehende Situation gesichert und jede zusätzliche Verwendung von Flächen, die Natur schädigt und unnütz ist – im Naturschutz progressiv, in der Städteplanung konservativ und erhaltend.
…und die große Kleinstadt – Bürger begehren auf!
Wachstum ist längst nicht mehr das, was es einmal war. Die Zeit der unlimitierten Vollzeit-Huldigung des Wachstums ist vorbei – wie ein Phönix aus der Asche ersteht das gute alte Zitat wieder aus dem Sumpf der Sprache.
„Weniger ist mehr!“
In Unterschleißheim geht es um die Frage, ob Hochhäuser städteplanerisch eine Notwendigkeit in der weiteren Entwicklung der Kleinstadt oder lediglich eine bürgermeisterische Utopie von Großstadtflair sind. Fest steht, dass die Pläne des Unternehmers Manfred Graf und der Firma „Baxter“ für die „Menlo-Tower“ schon seit zwei Jahren bestehen und das Projekt an sich schon von Stadtrat genehmigt ist. Dennoch regte sich auf der Bürgerversammlung im Oktober Widerstand auf Seiten der „Wutbürger“. Die zwei Türme sollen am Edisonpark 85 und 53 Meter in die Höhe wachsen, Platz für 48.000 m² Büros und 2000 m² Treffpunkte schaffen und insgesamt 55 Millionen Euro kosten. Interessant hierbei: Um die Energiebilanz zu verbessern, sollen die Gebäude eine Doppelfassade und ein Niedrigtemperatursystem eingebaut haben.
Eine neue Protestkultur
„Sie sind mit etwas nicht einverstanden? Fühlen sich von der rationalen Seite bedrängt? Wir schaffen Abhilfe! Sammeln Sie schon jetzt die ersten Unterschriften für Ihr Bürgerbegehren!“
Vor allem auf der Bürgerversammlung wurde einiges klar: Das Vertrauen in die Fachkompetenz von Stadträten ist geschwunden und das in die eigene Mehrheit ist so groß, wie noch nie.
„Herr Zeitler, warum halten Sie an dem Wahnsinn fest, obwohl alle Bürger dagegen sind?“ – Johanna Lipus auf der Bürgerversammlung
Der Widerstand fühlt sich in der Mehrheit, vertraut auf die eigene Stärke, verliert dabei aber aus den Augen, dass es auch Befürworter gibt. Das eigentlich beunruhigende an dieser Entwicklung aber ist vor allem, dass sich die indirekte Demokratie wandelt und sie nicht mehr befriedigend ist. Eine Wahl von Volksvertretern auf vier Jahre bietet dem Bürger nicht mehr die gewünschte individuelle Entscheidungsgewalt, die er will. An sich liegt hierin kein Problem. Dennoch – aus der Sicht heraus, dass man nur noch bestimmte Entscheidungen mittragen möchte, den Rest aber lieber dann doch den gewählten Vertretern überlässt, ergibt sich eine Bedeutungslosigkeit der Stadträte, die nur noch die „uninteressanten“ Entscheidungen treffen dürfen.
Auf der Homepage von „Stadt mit Maß“ wird klar gemacht, was die Initiatoren von der Stadt und den Entscheidungsträgern halten.
„Alleinige Richtschnur sind die Interessen von Grundstückseigentümern, Investoren und Projektentwicklern; alleiniges Ziel die stete Mehrung der Gewerbesteuern auf hohem Niveau.“ – Stadt mit Maß
Eine Stadt ohne Neubauten, ist wie ein Unternehmen ohne Investitionen: nicht wettbewerbsfähig. Man kürzt allen Einbezug von Bürgermeinungen und die viel gewollte, aber auch nicht zu vernachlässigende Arbeit an der Basis völlig aus dem Konzept, verneint diese sogar und exaggeriert schlichtweg die Situation:
„Was fehlt, ist ein Leitbild für unsere Stadt in 20 oder 30 Jahren. Wollen wir uns auch künftig noch auf unseren Straßen bewegen können, mit dem Rad ins Grüne fahren? Oder wollen wir die Stadt scheibchenweise in Form von Baurecht verkaufen und zubauen lassen?“ – Stadt mit Maß
Es stimmt, der Flächenverbrauch ist horrend, aber in Unterschleißheim ist die Situation normal. Es gibt sogar im Stadtkern Rückzugsgebiete, wie den Valentinspark, zwei Badeseen und man kann an den Isar-Auen radeln. Die Vorstellung von den Betonklötzen und der „grauen Gefahr“, die hier propagiert wird, grenzt an ein Angsteinflößen – eine Angst vor Veränderung.
„Tradition ist eine Laterne, der Dumme hält sich an ihr fest, dem Klugen leuchtet sie den Weg.“ – George Bernhard Shaw
Zwangsläufig führt bei großen Investitionen von Firmen kein Weg an Hochhäusern vorbei. Nüchtern betrachtet muss man zum einen aus ökonomischen Gesichtspunkten und zum anderen aus dem Aspekt der Sicherung von Rückzugsgebieten in der Natur für Hochhäuser einstehen, da man für die gleiche Menge an Nutzfläche, ein viel größeres Gebiet bebauen müsste.
Und so bleibt es bei endlos gedroschenen Phrasen:
„Weiterer Ausbau der Autobahnen mag für ein paar Jahre Abhilfe schaffen, aber den Grundwiderspruch – endloses Wachstum auf endlicher Fläche – löst er nicht. Ebenso wenig wie Hochhäuser.“ – Stadt mit Maß
Von der Vergangenheit zu lernen, heißt zukünftig andere Fehler zu machen
Angst ist ein starkes Argument – aber nie zukunftsfähig. Angst macht nicht zukunftsfähig – es ist der Mut. Angst haftet, klebt ätzend an der Gegenwart und lähmt jeden Fortschritt. Mut befreit, zeigt den Weg. Ich möchte nichts idealisieren, aber werfen wir einen Blick in die nahe Vergangenheit: Unterschleißheim und Eching einigen sich auf ein gemeinsames Thermenprojekt in Hollern. Die Therme soll erholend ausgerichtet sein, keine Konkurrenz zur Erdinger Therme, kein Wettstreit um junges Publikum – doch es kommt zum Bürgerentscheid. Nachdem viel mit der Sinnlosigkeit der Therme sowie der Zerstörung des Naturraums nahe der Kiesgrube argumentiert worden war, wurde die Therme beim Bürgerentscheid abgelehnt. Inzwischen baut die Erdinger Therme genau in dem Bereich der Erholung und Wellness ihre Angebote aus. Auch hätte man von den Gewerbesteuereinnahmen den Anbau des Carl-Orff-Gymnasiums refinanzieren können.
Es werden auch zukünftig Fehler gemacht werden – in städtebauerischer, politischer, gesellschaftlicher wie menschlicher Hinsicht. Das kann man nicht vermeiden. Doch ist es notwendig, darüber nachzudenken, welche Fehler man nicht wiederholen sollte.
Schlusswort
Unendliches Wachstum gibt es nicht – das ist verständlich, denn unendliches Wachstum kann es auch deshalb nicht geben, da die Natur die Endlichkeit einer jeden Existenz begrenzt – ob Mensch oder Hochhaus. Aber auf der anderen Seite kann es etwas anderes auch nicht geben: unendliche Statik und das Verweilen in der Gegenwart. Letztendlich gilt es die gebotene Balance zu finden und nicht alle Ideen pauschal und kollektiv zu verwerfen, um Unterschleißheim auch in Zukunft prägend zu gestalten.
Quellen: