Martin Nieroda hat es im LLA vom 24.03.2012 gut getroffen:
„Erinnern Sie sich noch an einen der wenigen schönen verschneiten Tage des vergangenen Winters an dem Sie im Valentinspark waren, um mit Ihren Kindern Schlitten zu fahren oder mit Freunden Eisstock zu schießen oder auch nur, um spazieren zu gehen. Stellen Sie sich vor, wie es gewesen wäre, einen Kaffee einen heißen Tee oder vielleicht sogar einen Glühwein zusammen mit Ihren Lieben zu genießen. Oder die ersten warmen Sonnenstrahlen auf einem Stuhl vor einem Café im Valentinspark auf der Haut zu spüren. Schlägt Ihr Herz bei diesen Gedanken nicht schon ein wenig höher?“
Der Gedanke eines Cafes im Valentinspark ist verlockend und er ist es wert, ihn zu bedenken.
Die Kosten für das vorgesehene Cafe-Projekt werden auf 2-3 Millionen Euro geschätzt. Die Frage, ob ein Investor sich finden würde, wurde aber noch nie geklärt, da man die Idee weiterhin verschiebt und vor sich her trägt. Lediglich die CSU steht für das Cafe im Stadtrat ein.
Eine weitere, sinnlose Immobilie
„Wir wollen doch nicht noch eine Immobilie, die sich nicht vermarkten lässt, oder?“ – Martin Reichart (FB)
Da haben wir es: Die obligatorische Anspielung auf das Ballhausforum. Egal welches Bauvorhaben in den nächsten 2000 Jahren in Unterschleißheim angestrebt werden wird (und sei es auch die orginalgetreue Nachbildung der Pyramiden von Gizeh), es wird sich immer mit dem „Milliardengrab“ Ballhausforum messen müssen.
Die zur Spitze getriebene Repräsentation aller Bürger durch die Namensvettern „Freie Bürger“ offenbart sich auch hier: So ist diese Frage rhetorisch angehaucht, wird aber mit dem „oder?“ nichtig und verliert ihre Aussage. Immer eine Rückzugsmöglichkeit offenhalten.
„Die Lage am See im Valentinspark direkt am See ist auf den ersten Blick keine gute Lage für eine Einrichtung, welche branchenüblich sehr auf Laufkundschaft ausgerichtet ist.“ – Martin Reichart (FB)
Dies mag zwar auf den ersten Blick so scheinen, aber Laufkundschaft ist genug durch Spaziergänger, Hundehalter, Schüler, die ihren Schulweg durch den Valentinspark nehmen und Passanten gegeben. Sicher, der Valentinspark ist nicht die Bezirksstraße, aber das soll er auch nicht sein. Er kann vielmehr ein Ruheplatz sein, der auch zum Ort der Zusammenkunft werden kann. Dass Unterschleißheim einen Mangel an Cafes hat, bestreitet ja niemand.
Wenn da nicht die Mensa wäre…
„Zudem ist allein durch die Nähe eine schädliche Konkurrenz zur Mensa des COG zu befürchten.“ – Martin Reichart (FB)
Unser aktuelles Wirtschaftssystem nennt sich „Soziale Marktwirtschaft“. Diese hat es so an sich, dass man versucht Monopole zu zerschlagen. Wenn ein simples Cafe im Valentinspark schon eine Konkurrenz für eine Schulmensa darstellt, dann sollte man nicht an der Realisierung des Cafes rütteln, sondern sich Gedanken über den Betreiber der Mensa machen. Ferner sollte man McDonalds und die komplette Gastronomie am Rathausplatz einstellen und einen Zaun um das Schulgelände des COGs machen. Letztendlich entscheidet der Konsument, was er kauft bzw. zu sich nimmt. Dieses Cafe wäre allein die langersehnte, so nötige Alternative zur Mensa und dem Rathausplatz.
Emotionen – Pfui!
„Aus Sicht der Freien Bürgerschaft macht es keinen Sinn, gefühlsduselig und in hübschen Bildern dem „Wunschtraum“ Café nachzutrauern. Vor allem Rühren an Emotionen sollte zunächst, und dies habe ich in den einschlägigen Sitzungen auch genau so vorgetragen, die Frage der Betreibersuche geklärt und ein betriebswirtschaftliches Konzept auf den Tisch gelegt werden.“ – Martin Reichart (FB)
Da fordert man nun Sachlichkeit, nachdem man selbst das Mittel der Emotionen für die Opposition zum Hochhausbau so frequentiert gebraucht hat. Mal hier, mal dort, zwei mal drei macht vier… usw.
Warum startet man eigentlich kein Bürgerbegehren, um dem Willen des Bürgers endgültig ein Denkmal zu bauen? Warum wird das hier nicht gefordert? Haben die Freien Bürger Angst, dass ihnen ihr Klientel in den Rücken fällt oder etwa der „dunklen Seite“ verfällt?
Die Parkproblematik
Doch Rettung naht, Ulrich Müller („Bürger ohne Parteibuch“, LLA vom 07.04.2012) naht mit seinen Argumenten.
„Parkplätze? Kein Problem, wir unterkellern der See. (Dass viele Ostfriesen bei der Unterkellerung ihres Hausbootes ertrunken sein sollen, ist ein böswilliges Gerücht!)“ – Ulrich Müller
Abgesehen von den Stellplätzen rund um den Valentinspark, die auch so zur Genüge vorhanden sind, beabsichtigt man kein Hotel für mehrere hundert Gäste zu bauen, die alle mit ihrem eigenen Auto anreisen. Es soll lediglich ein kleines Cafe sein, das durch seine Lage in Unterschleißheim auch gut zu Fuß oder mit dem Rad erreichbar ist. Der Seitenhieb auf die Ostfriesen ist lächerlich und verzerrt die Aussage des Leserbriefes endgültig ins lächerlich-zynische. Dennoch rate ich Herrn Müller nicht an, einmal per Zug von Frankreich nach England zu fahren durch den Eurotunnel. Auch wenn mir bisher keine Todesopfer bekannt sind, die ertrunken wären. Ebenso würde ich ihm von der U-Bahn in München abraten.
Toilettengänger und Hundehaufen – der Tod eines jedes Cafes
„Die Hundehalter müssten nicht mehr die Tischtennisplatte belagern, sie könnten ihr zweites (Bier-) Frühstück im Café einnehmen, und die dabei entstehenden Hundehaufen verteilen sich nicht mehr im Park, sie verschönern die Café-Garten-Umgebung. Und der Café-Hauspächter freut sich über die Walker, Jogger, Rad- und Mountainbiker, Wanderer u.s.w., die eifrig seine morgendlich sauber geputzten Toiletten frequentieren.“ – Ulrich Müller
Wer hat nicht schon von den Cafes gehört, die allein deswegen pleite gegangen sind, weil sie doch jeden Tag ihre Toiletten säubern mussten? Leider fehlt Herrn Müller hier ein Detail: Ein Toilettenhäuschen soll so oder so im Valentinspark aufgebaut werden. Für Herrn Müller ist der Valentinspark zum einen ein Ruheort, der geschützt werden muss, doch gleichzeitig ist er auf der anderen Seite auch ein dreckiger, von Hundehaufen gezeichneter Ort. Was denn nun?
Des Weiteren: Anscheinend scheint ja genug „Laufkundschaft“ vorhanden zu sein, wenn die Toiletten so frequentiert genutzt werden würden. In diesem Punkt widerspricht Herr Müller Herrn Reichart klar.
Die nächste Stufe: Ein Yachthafen
„Und wenn wir den See noch ein kleines bisschen vergrößern – vielleicht ein Yachthafen …?
Man wird ja noch träumen dürfen!“ – Ulrich Müller
Mit Freude stellt man auch hier fest, dass sich die Diskussion völlig im Rahmen des Sachlichen bewegt und niemand übertreibt. Nachdem man Unterschleißheim mithilfe der Romantik vor dem Schrecken des Hochhausbaus gerettet hat, verdammt man sie jetzt schon wieder. Der Zynismus in diesem Zitat und mit ihm der Aufruf zu mehr Sachlichkeit wirkt in sich zynisch: Hört auf zu träumen! – Aber was ist mit Visionen, mit Zukunftsträumen, mit Gedanken und Ideen? Hat die „Vernunft“ diesen letzten Triumph über die Freiheit der Idee errungen?
Die Jugend von heute: Pfui!
„Wo kann die Bierhefegärung im Naturkundeunterricht besser demonstriert werden als am schäumenden Objekt. Schülerfrühstück mit kleinem Proseco für verspätete Gymnasiasten und Realschüler, die dann gut gelaunt zum Unterricht erscheinen.“ – Ulrich Müller
Bei allem Respekt: So mag Herr Müller doch seine Gewohnheiten nicht auf uns Schüler übertragen. Ich halte diese letzte, bösartig abwertend gemeinte Phrase der Verachtung für die heutige Generation, die stilisiert als Gegenargument gegen das Cafe gilt, für zutiefst beschämend.
Letzte Option: Altersversorgung
Die Dosis an Zynismus und Sarkasmus im Artikel scheint schädlich zu werden, aber der Autor denkt noch nicht daran, aufzuhören. Er holt zum letzten Schlag gegen die Regierung aus, die letztlich indirekt doch etwas mit dem Cafe zu tun hat:
„Ein Senioren-Lotsendienst für unsere begüterten Senioren, die nun in Scharen zum Café strömen, ein schieres Rollator-Rennen. Wo doch unser Wohltäter Gesundheitsminister Bahr mit der „Meilensteinreform“ der Altersversorgung sein Füllhorn über uns Alte ausgeschüttet hat. Da kann bis spät in die Nacht der neue Seniorenhit erklingen: „Wir versaufen unsern Erben ihr klein Häuschen…“! Für den nächtlichen Rücktransport sorgen dann Rotes Kreuz,Feuerwehr, Samariterbund u. a.“ – Ulrich Müller
Die Hyperbel scheint das Lieblingsstilmittel zu sein, derart frequent wird sie hier genutzt. Neben der grundsätzlichen Ignoranz für die Änderung der Gesellschaftsstruktur und des Verhältnis von jungen zu alten Menschen und dem demographischen Wandel, scheint Herr Müller einiges an Wut im Bauch zu haben.
Die Parodie als Antwort auf den ursprünglichen Artikel
Herr Nieroda hatte in seinem anfangs erwähnen Artikel im LLA auch ein Gedicht eingebunden. Dies wird nun selbstverständlich „parodiert“:
„Da fallen mir nur die Zeilen von Bert Brecht ein:
Das wäre schön, und wir wären froh,
Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so!
Und darum ist es nichts damit,
Darum ist dort nur Hunde-Shit“ – Ulrich Müller
Man beachte den graziösen Reim von „damit“ auf „Hunde-Shit“. Ein Vers, der so nur von Bertolt Brecht stammen kann, der sich über diesen Anglizismus und feinen Ausdruck entzückt hätte.
Was bleibt, bleibt abzuwarten
Nachdem die Abstimmung über das Cafe zum Ergebnis hatte, dass der Bau weiterhin verschoben wird, bleibt abzuwarten, wann sich auch die anderen Parteien zum „Bürgerwillen“ bekennen.
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